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Zwischenbilanz und offene Handlungsfelder
Halbzeitpapier Diabetes@Work: Eine Zwischenbilanz der aktuellen Legislaturperiode
Vorwort: Diabetes gehört weltweit zu den häufigsten nichtübertragbaren Krankheiten. Die Folge- und Begleiterkrankungen dieser Stoffwechselerkrankung bedeuten auch für das Gesundheitssystem hohe Anforderungen und Kosten. Allein in Deutschland leben heute rund 8,7 Millionen Menschen mit diagnostiziertem Diabetes-Typ-2. Durch die steigende Lebenserwartung und Neuerkrankungsrate könnte die Zahl der Diabetesfälle innerhalb der nächsten 20 Jahre auf bis zu zwölf Millionen ansteigen. Zeit zu handeln!
Wir, die Initiative Diabetes@Work, bestehend aus dem Dachverband der Betriebskrankenkassen (BKK), dem Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte (VDBW), der IG BCE Hessen-Thüringen und Lilly Deutschland sind seit über 10 Jahren im Austausch mit Betrieben in ganz Deutschland. Dabei sehen wir: Nicht nur erfahrene Arbeitnehmer:innen, sondern auch junge Auszubildende sind immer öfter von Diabetes und Adipositas betroffen. Auch wenn ca. zwei Drittel der Versprechen der Ampel-Koalition laut Halbzeitbilanz der Bertelsmann Stiftung bereits erfüllt wurden oder im Umsetzungsprozess sind, gibt es im Bereich der Diabetes-Versorgung noch Stellschrauben, die das Leben von Menschen mit Diabetes verbessern würden. Dieses Papier zeigt den Handlungsbedarf an diesen Stellen auf.
Prävention & Vernetzung
Um die rasante Entwicklung des Diabetes-Typ-2 zu stoppen, benötigen wir auf politischer Ebene in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode eine konsequente Weiterentwicklung des Präventionsgesetzes, um die Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention zu stärken und effektive Maßnahmen zur Vorbeugung wahrzunehmen. Die Initiative Diabetes@Work legt großes Augenmerk auf Präventionsangebote im digitalen Bereich und auf die Ausgestaltung der elektronischen Patientenakte (ePA). Solche Angebote wurden im Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens (DigiG) bisher unzureichend berücksichtigt. Bereits existierende Maßnahmen wie die Präventionsempfehlungen im Muster 36 müssen zielführender genutzt werden, um die Präventionsmöglichkeiten voll auszuschöpfen. Darüber hinaus müssen bestehende Ansätze wie die Nationalen Gesundheitsziele, die bereits 2003 im ersten Ziel die Senkung des Diabetes Erkrankungsrisikos und Versorgungsverbesserung von Menschen mit Diabetes thematisiert haben, eine verstärkte Umsetzung finden. Ein Nationaler Präventionsplan, der speziell auf Diabetes zugeschnitten ist, muss daher erstellt werden, Synergien erkennen und diese umsetzen.
Wir unterstützen die Ernährungsstrategie als wichtigen Schritt zur Verbesserung der Gesundheit in Deutschland. Wir sind zuversichtlich, dass die Umsetzung dieser Strategie wissenschaftlich fundierte Reduktionsziele für Zucker, Fett und Salz erreichen wird und somit einen Beitrag zur Prävention von Diabetes und Adipositas leistet. Zur besseren Herausstellung der Gefahren einer schlechten Ernährung empfehlen wir, Diabetes als eine der Folgeerkrankungen in der Strategie aufzuzählen.
Die Initiative Diabetes@Work betont gegenüber Betrieben und insbesondere Betriebsärzt:innen die Relevanz einer engen und koordinierten Zusammenarbeit aller maßgebenden Akteure, um die bestehenden Gesundheitsangebote (z.B. Screeningprogramme) attraktiver und präsenter unter Arbeitnehmer:innen zu gestalten. Wir rufen zusätzlich die Politik auf, Anreize für Betriebe zu schaffen, diese Gesundheitsangebote anzubieten.
Die Gesundheitsregionen sollten sich mit den regionalen Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF)-Koordinierungsstellen vernetzen. Die Gesundheitsregionen sind wichtige Plattformen, um auf das Informations- und Beratungsangebot zu BGF der gesetzlichen Krankenversicherung im Rahmen der BGF-Koordinierungsstellen hinzuweisen. Gemeinsame Informations- und Sensibilisierungsveranstaltungen bieten Raum, dem Thema mehr Gewicht zu verleihen, gute Beispiele aus der Praxis sowie Angebote in der Region bekannt zu machen und eine Zusammenarbeit aller zentralen Akteure zu gewährleisten.
Gesunde Arbeit
Unser Halbzeitpapier ruft zu entschiedenem Handeln auf, um die Gesundheit von Arbeitnehmer:innen und die Prävention von Diabetes in der Arbeitswelt zu fördern. Wir empfehlen der Politik, die im Koalitionsvertrag vorgesehenen Maßnahmen für ein gesundes Arbeitsumfeld konsequent umzusetzen und weiter zu intensivieren. Rund 30 Millionen Beschäftigte arbeiten bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Daher liegt unser Fokus auf einer zielgerichteten Unterstützung dieser, einer verbesserten Zugänglichkeit von Präventions- und Rehabilitationsmaßnahmen in Betrieben sowie gezielten Maßnahmen für Auszubildende. Bereits bestehende funktionierende individuelle Lösungen müssen flächendeckend umgesetzt werden, um die Transition in eine bessere Regelversorgung zu gewährleisten.
In Zeiten des Fachkräftemangels werden ein gesunder Arbeitsplatz und vielfältige Möglichkeiten des Betrieblichen Gesundheitsmanagements zum notwendigen Wettbewerbsvorteil. Deshalb ist es unerlässlich, dass Maßnahmen ergriffen werden, um den Zugang zu Präventionsangeboten zu erleichtern und die Zahl der Diabetes-Typ-2-Fälle zu reduzieren. Eine vereinfachte Kommunikation, eine Flexibilisierung der Prüfkriterien der Zentralen Prüfstelle Prävention sowie eine verbesserte Zugänglichkeit von Präventions- und Rehabilitationsmaßnahmen sind wichtige Schritte in diese Richtung.
Als Initiative Diabetes@Work begrüßen wir den Aktionsplan Gesunde Arbeit, der im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist, und fordern eine zeitnahe Umsetzung dieses Plans mit besonderem Fokus auf Diabetes, Bewegungsmangel und den Wandel der Arbeit. Wir schlagen vor, dass die Politikwerkstatt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) als Plattform genutzt wird, um gemeinsam mit Arbeitnehmer:innen, Arbeitgeber:innen und Expert:innen konkrete Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen.
Aktuelle Potentiale und Herausforderungen
Die Gesundheitsversorgung muss für alle Menschen geschlechtergerecht gestaltet werden. Geschlechtsbezogene Unterschiede in der Versorgung, Gesundheitsförderung und Prävention müssen berücksichtigt werden.
Durch die Verankerung der Gender-Medizin in den Curricula der medizinischen Aus-, Fort- und Weiterbildungen sowie durch gezielte Projekte zu den Besonderheiten in der Gesundheitsversorgung, Prävention und Gesundheitsförderung, können genderspezifische Unterschiede besser erforscht und die Versorgung verbessert werden. Wichtige Aspekte hierbei sind angepasste Angaben im Beipackzettel sowie geschlechtergerechte Forschung, Datenerhebung und Teilnahme an Studien. Dies gilt für alle Bereiche, die Diabetologie ist hier keine Ausnahme.
Klimaveränderungen, wie Hitzewellen, werden präsenter und belasten das Gesundheitssystem stark. Besonders Menschen mit Diabetes leiden unter der zusätzlichen körperlichen Anstrengung bei hohen Temperaturen. Die Ausgestaltung des kürzlich veröffentlichten nationalen Hitzeplans ist eine Möglichkeit, besondere Rücksicht auf die Bedürfnisse von Menschen mit Diabetes in der Arbeitswelt zu nehmen. Der ÖGD sollte Betriebe dabei bestärken, Menschen mit Diabetes explizit als vulnerable Gruppe in den betrieblichen Hitzeschutzplänen aufzuführen und somit die Belastungen für die Arbeiternehmer:innen zu reduzieren.
Digitale Maßnahmen spielen eine wichtige Rolle bei der Prävention und Behandlung von Diabetes Typ-2, indem sie die Patient:innen dabei unterstützen, ihre Gesundheit zu monitoren, ihre Ernährung und körperliche Aktivität zu verbessern und einen besseren Zugang zur medizinischen Versorgung zu erhalten. Daher begrüßen wir die geplante Einführung der elektronischen Patientenakte durch ein Opt-out-Modell sowie von digitalen Versorgungsprozessen für strukturierte Behandlungsprogramme für Patient:innen mit Diabetes im DigiG.
PP-LD-DE-6211
Im Dialog mit Politik, Fachwelt, Wirtschaft und Arbeitnehmern entwickeln wir seit 2014 Lösungen, wie die Politik die Prävention und Kuration von Diabetes bestmöglich unterstützen kann. Die Ergebnisse haben wir in einem Positionspapier zusammengefasst. DOWNLOAD POSITIONSPAPIER
In den folgenden Handlungsfeldern wollen wir mit konkreten Empfehlungen die politische Debatte vorantreiben. Unsere Lösungsvorschläge lassen sich dabei idealerweise gebündelt durch eine nationale Diabetes-Strategie umsetzen.
Handlungsfeld 1: Anpassung der Steuergesetzgebung
- Steuerbefreiung von betrieblichen Gesundheitsleistungen
Handlungsfeld 2: Entwicklung bundesweiter Aufklärungskampagnen
- Entwicklung einer nationalen Aufklärungs-und Kommunikationsstrategie zum Diabetes, die in den Lebenswelten der Menschen ansetzt
- Bereitstellung weiterer Bundesmittel für Aufklärungskampagnen zur Diabetesprävention
- Anreize schaffen für ärztliche Aufklärungs-und Beratungsgespräche
Handlungsfeld 3: Vernetzung der an Prävention und Versorgung beteiligten Akteure
- Flächendeckender Aufbau der regionalen Koordinierungsstellen der Krankenkassen und zeitnahe Evaluierung ihrer Wirksamkeit
- Vereinfachte Zertifizierung von Gesundheitsmaßnahmen
Handlungsfeld 4: Anpassung der Datenschutzregelungen
- Erleichterter Austausch von Patientendaten durch praktikablere Einwilligungsmöglichkeiten für Patienten
- Offenere Gestaltung der Datenschutzregelungen zu Zweckbindung und Zeitbeschränkung
Handlungsfeld 5: Einführung einer nationalen Diabetes-Strategie
- Umsetzung unserer Empfehlungen im Rahmen einer nationalen Diabetes-Strategie
- Feste Verankerung der nationalen Diabetes-Strategie im Koalitionsvertrag
Wie wird die Arbeitswelt zum Ausgangspunkt für Prävention, Früherkennung und die optimale Unterstützung bei Diabetes? Die Initiative sucht mit Politik, Fachwelt, Wirtschaft und Arbeitnehmern nach Antworten für alle Unternehmensgrößen.
Drei Ziele stehen im Mittelpunkt, um Menschen mit Diabetes im Arbeitsleben zu unterstützen und um durch Engagement in Betrieben die Ausbreitung des Diabetes Typ 2 in Deutschland einzudämmen:
- Gesundheit von Menschen mit Diabetes im Arbeitsleben sichern
Durch betriebliche Maßnahmen in der Früherkennung des Diabetes kann das Risiko von Komplikationen und Folgeerkrankungen gesenkt werden. Menschen mit einem früh diagnostizierten Diabetes können durch individuell abgestimmte Therapien, Anpassungen im Arbeitsalltag und Befähigung zum Selbstmanagement in die Lage versetzt werden, ihrem Beruf oder ihrer Tätigkeit ungehindert nachzugehen. Das hilft dem einzelnen Menschen und seinem familiären Umfeld sowie dem Unternehmen und der Gesellschaft. Das gemeinsame Ziel: Beschäftigungsfähigkeit erhalten und indirekte Kosten durch Arbeitsunfähigkeit und Frühverrentungen vermeiden. - Gesundheitsförderndes Umfeld in Unternehmen entwickeln zur Prävention bei Diabetes Typ 2
Durch Prävention des weit verbreiteten Diabetes mellitus Typ 2 im Betrieb werden Risikogruppen von der Lehre bis ins hohe Arbeitsalter erreicht. Durch Maßnahmen der Verhaltens-und Verhältnisprävention im Arbeitsumfeld wird ein gesünderer Lebensstil gefördert, der sich nicht nur im Arbeitsleben positiv auswirkt, aber hier seinen Anfang nehmen kann. Das hilft mit, den rasanten Anstieg von nichtübertragbaren chronischen Erkrankungen (NCD) wie Diabetes Typ 2 zu stoppen. - Berufliche Anerkennung von Menschen mit Diabetes stärken
Vorurteile gegenüber Diabetes gibt es auch im Arbeitsleben. Das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit von Menschen mit Diabetes muss weiter gestärkt werden – bei Entscheidern im Unternehmen, im beruflichen und gesellschaftlichen Umfeld. Experten bemängeln in diesem Zusammenhang überholte Tätigkeitseinschränkungen oder Berufsverbote bei Diabetes. Zudem würden inklusive Maßnahmen am Arbeitsmarkt auch jenen Menschen helfen, die mit einer Funktionsbeeinträchtigung als Folge des Diabetes oder anderer chronischer Erkrankungen leben.
Durch regionale Expertise wollen wir zu bundesweiten Lösungen bei Diabetes in der Arbeitswelt kommen. Das bedeutet konkret:
- Wir wollen Erfahrungen mit guten Diabetesmaßnahmen vor Ort sammeln – in Betrieben unterschiedlicher Größe in den Bundesländern. Wir erfassen gute Beispiele aus der Arbeitswelt auch auf dieser Webseite.
- In regionalen VERANSTALTUNGEN bei Unternehmen vor Ort tragen wir Ideen zusammen, wie diese guten regionalen Ansätze auch flächendeckend für alle Unternehmensgrößen umgesetzt werden können. Wir ermöglichen dazu den Austausch zwischen Politik, Fachwelt, Wirtschaft und Arbeitnehmern.
- Wir wollen Handlungsempfehlungen an die Bundespolitik weitergeben, wie sie das Engagement im Betrieb vor Ort zur Prävention und frühen Hilfe bei Diabetes noch besser fördern kann. Ein begleitender Film wird am Ende unserer Tour in Berlin präsentiert.
Diabetes zählt mit 382 Millionen Erkrankungen zu den drängendsten Gesundheitsproblemen weltweit. Bereits heute leben in Deutschland über 7,5 Millionen Menschen mit diagnostiziertem Diabetes, darunter mehr als 2 Millionen im berufsfähigen Alter – die geschätzten Dunkelziffern liegen jeweils deutlich höher. Was viele nicht wissen: Der „Alterszucker“ trifft längst nicht mehr nur die Älteren in der Bevölkerung. An dem besonders weit verbreiteten Diabetes Typ-2 erkranken zunehmend auch jüngere Menschen.
Die Folgen eines unbehandelten Diabetes können sich direkt im Arbeitsleben auswirken. Akutkomplikationen und Folgeerkrankungen können die Leistungsfähigkeit vermindern, Menschen in ihrer beruflichen Selbstverwirklichung und Lebensqualität eingeschränkt werden. Unternehmen und Gesellschaft versuchen die Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten und indirekte Kosten durch Produktivitätsausfälle, krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit oder vorzeitige Berufsaufgabe zu vermeiden.
Das Arbeitsumfeld bietet hohe Potentiale für die Eindämmung des Diabetes und seiner Folgen:
- Durch Früherkennung von Diabetes kann auf die Risiken von Folgekomplikationen und Komorbidität für Patienten rechtzeitig reagiert werden.
- Für die Prävention von Diabetes Typ 2 kann in Unternehmen eine breite Bevölkerungsgruppe in verschiedenen Altersstufen erreicht werden – von der Lehre bis zur Rente.
- Durch Inklusion am Arbeitsplatz können Menschen mit Diabetes und anderen chronischen Erkrankungen ihre Lebensqualität bewahren.
Diabetes@Work bekennt sich zu Grundprinzipien, die von allen Partnern geachtet werden und folgende Punkte umfassen:
Inhaltliche Unabhängigkeit: Diabetes@Work will gezielt über die weitreichenden individuellen wie gesellschaftlichen Folgen von Diabetes aufklären und eine Vielfalt an Best Practice zum Thema Diabetes im Beruf aufzeigen. Diabetes@Work distanziert sich daher klar von Empfehlungen für bestimmte Therapieformen und wirbt weder für einzelne Medikamente noch für bestimmte Medikamentengruppen oder Medizinprodukte.
Abstimmungsprozess der Partner: Diabetes@Work ist eine flexible Kooperationsform ohne formale Rechtsform, bei der sich die Partner auf gemeinsame Grundlagen verständigen. Die Partner können so gleichberechtigt individuelle Schwerpunkte in die Initiative einbringen und deren thematische Entwicklung mitgestalten.
Finanzierung: Lilly Deutschland ist sowohl einer der Gründungspartner als auch der Finanzierer von Diabetes@Work. Für die weiteren Partner entsteht mit Ausnahme von Reisekosten zunächst kein unmittelbarer finanzieller Aufwand. Eine Mitfinanzierung ist für Partner kein Zugangskriterium zu Diabetes@Work, es ist aber auch nicht ausgeschlossen. Kein Partner wird für seine Teilnahme an Diabetes@Work vergütet.